Joh. Bapt. Cardano

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Der folgende Artikel ist eine Studie innerhalb meines Astrologiekurses in Berlin, wo es um einen historischen Astrologenstreit geht. Dabei lässt sich eine Methode für Primärdirektionen nachweisen, mit der die Horoskopdeutung hier sehr treffend für einen metagnostischen Nachweis funktioniert.

Dies ist das Horoskop vom jungen Cardanus vom 14.05.1534 um 8:30 Uhr abends in Mailand. Ich habe bewusst nicht an der Uhrzeit herumkorrigiert, weil ich mit diesem Horoskop die Gültigkeit einer Methode nachweisen will.

In der astrologischen Rundschau vom August 1931 gibt es einen Bericht von Wilhelm Knappich:

Am 20. Dezember 1557 verspürte der berühmte Mailänder Arzt und Mathematiker Hieronymus Cardanus in einer schlaflosen Nacht ein heftiges Rütteln und Schwanken im Schlafgemach, das er für ein Erdbeben hielt. „Nun begab ich mich - so erzählt er selbst· - auf den Marktplatz und frug mehrere Leute, ob sie das Erdbeben heute Nacht gespürt hätten. Bei keinem war dies der Fall. Ich komme nach Hause zurück, da läuft mir mein Diener ganz traurig entgegen und meldet mir, dass mein Sohn Giovanni Baptista die Brandonia Seroni zur Frau genommen habe....Ich gehe hin und sehe, dass die Sache geschehen war...Und das war der Anfang allen Unglücks.“

Joh. Bapt. Cardano (geb. am 14. Mai 1534 in der Nähe Mailands) war der erstgeborene Sohn Cardanos, ein gutes, treuherziges Kind, voll Lerneifer und Beweglichkeit des Geistes. „Bis zu seinem 23. Lebensjahre lebte er völlig ruhig dahin, dann verliebte er sich, gerade als er das Laureat erworben hatte, in Brandonia Seroni und heiratete das Mädchen ohne jede Mitgift.“ Der junge Mann war schon ein sehr geschickter Arzt, hatte schon einige medizinische Schriften verfasst, da musste er erfahren, das ihn seine heiß geliebte Frau hinterging. Bald darauf wurde er „angeklagt, seine Frau vergiftet zu haben, da sie im Wochenbett lag. Am 17. Feber 1560 wurde er gefangen gesetzt und 53 Tage darauf, am 7. April, im Kerker durch das Schwert enthauptet. Das war das ärgste und größte Unglück, das mich traf.“ So berichtet es der Vater, und in einem „Trauergesang auf den Tod meines Sohnes“ sagt er:

„Dein Verbrechen war nur, dass du, die Gesetzte umgehend, Unheil über dich nahmst, nach der Alten schrecklichen Beispiel. Sühntest mit eilender Hand der Ehebrecherin Sünden“

Man war damals im allgemeinen nicht so strenge gegen die Rächer ihrer Ehre und man wollte im Sohne mehr den Vater und verhassten Konkurrenten treffen. Und seine Feinde hatten es auch erreicht, dass sich Cardanus „darnach mit Ehren nicht mehr als Professor an der Universität in Pavia halten konnte.“ [Wilhelm Knappich in Astrologische Rundschau, August 1931, Heft 5, S. 133]

Cardanus hat natürlich das Horoskop schon zur Geburt des Sohnes gestellt, hat aber nur Gefahren gesehen, indem er Mars und Mond, und Saturn und Mond dirigiert hat, was ja naheliegend ist. Das sind die beiden virulenten Planeten im Todeshaus und der Mond ist der Hyleg. Bei diesen Direktionen kam er aber nicht auf das gesuchte Alter. Placidus de Titis hat sich in der „Physiomatematica“ mit dem Horoskop auch eingehend beschäftigt, am eingehendsten von allen überhaupt, aber auch Regiomontanus. Ich glaube alle berühmten Astrologen bis heute, bzw. bis 1930 haben sich mit diesem Horoskop beschäftigt, und keiner hat wirklich eindeutige Aussagen machen können. Warum das Geschehen ist, wieso der junge Cardanus so viel Pech hatte und zum Sündenbock wurde. Damals war es wichtig seine Ehre zu retten, dafür konnte man auch morden.

Der Schwerpunkt der Betrachtung soll hier auf dem Schicksal liegen. Dabei sind das 23. Lebensjahr und nach dem 25. Jahr und elf Monate wichtig. Beim zweiten - es ist seine Hinrichtung - steht die Sonne auf 27° Widder, wo er auch rhythmisch (7er linksherum) stand und das MC wird ins Quadrat zum Mond dirigiert.

Das ist ein altes Horoskop, und da funktionieren die alten Regeln gut - ein Zeichen dafür, dass Deutungsregeln oder Konstellationscharakteristika teilweise evtl. nur für die Zeit auf die sie sich beziehen, relevant sind -, z.B. dass ein virulenter Übeltäter im achten Haus einen gewaltsamen Tod ausmacht. Hier sind gleich zwei Übeltäter im achten Haus - Hinweise dass er gewaltsam stirbt. Andere Deutungsregeln, z.B. die astrologischen Wirkpunkte und die Rhythmen, funktionieren auch bei diesem alten Horoskop, ganz besonders aber die Direktionsmethode des Erich Carl Kühr.

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Was war denn mit 25 Jahren? Er läuft über 27° Widder. Marcus Manilius hat diesen Punkt als den bezeichnet, der die Latrinen reinigen muss.

Mit 23 Jahren erfuhr er eine Veränderung, über 0° Waage und 17 Widder, also harmonisch und heftig, die plötzliche Veränderung einer überstürzten Eheschließung.

Jetzt wollte ich aber mindestens zwei alte Regeln zeigen.

Die erste ist eine bis heute wertvolle Betrachtungsweise, die zurückgeht auf die neue scholastische Philosophie - bei Plotin kann man Eindrücke gewinnen - wo die Sterne als Reigen bezeichnet werden und wo man die ganze Zeit von einer Bewegung ausgeht und das Horoskop eine Momentaufnahme dessen ist, was sich weiter bewegt und sich auch während des Lebens weiter bewegt. Darauf basieren die Sekundärdirektionen und machen auch nur Sinn, wenn man sie als eine Weiterbewegung des Momentes der Geburt betrachtet. In dem Entfalten der Person zeigt sich diese Weiterbewegung.

Hier z.B. zeigt sich, wie sich der Herrscher von Eins entwickelt. Der ist hier zufällig rückläufig. Wir würden nicht unbedingt sagen, dass jeder rückläufige Planet schlecht ist, hier würden wir das aber auf jeden Fall sagen. Wir kennen dieses Beispiel der zwei Freunde, die sich auf der Straße treffen, sie laufen auf sich zu und blicken sich an, das ist der applikative Aspekt, und haben dann, nach dem Treffen, die Erfahrung des guten Freundes. Dann gibt es auch das Gesetz der Pulsation, wenn ein Aspekt enttäuscht wird. D.h. man nähert sich die ganze Zeit dem Freund an, man freut sich und will ihn in die Arme nehmen, alles ist wunderbar und auf einmal kommt irgendetwas dazwischen und man sieht ihn nicht mehr, man kann ihn nicht mehr treffen. Das ist bei dem Jupiter der Fall. Die Opposition ist das Übel, welches exakt wird. Das ist aber vorher, denn er bewegt sich von einer Enttäuschung, und zwar der des nicht Zustande gekommenen Trigons mit der Sonne, zu dem Mars hin. Deswegen können wir diesen Jupiter als maximal schlecht deuten. Er läuft mit dieser Enttäuschung hin zu dem nächsten üblen Aspekt und bringt diese Enttäuschungsenergie in seinen nächsten Aspekt mit ein. Wenn ein Aspekt enttäuscht wird, dann ist das schlimmer als wenn der Aspekt nie da gewesen wäre.

Gut, das ist das eine. Das andere ist die Defluxion (Siehe Wörterbuch) des Mondes. Das ist das Einzige, was wir uns von der alten Astrologie bewahrt haben. Wir fragen uns, welchen Aspekt der Mond zuletzt gemacht hat und welchen er noch machen wird und sehen dieses als Lebensverlauf. Wichtig ist also, welche Aspekte der Mond in dem Zeichen macht. Wie würde man hier die Defluxion beschreiben?

Er hatte ein schönes Treffen mit der Venus, und das deutet auf Hoffnung. Alles deutete sich auch in seinem Leben vielversprechend an. Dann kommt der Merkur. Dieser verspricht vielleicht Heirat. Dann kommt ein Quadrat zu Pluto und eine Konjunktion zu Uranus. Nach dem Merkur, nach der Eheschließung, kommt auf jeden Fall nichts Gutes mehr.

Für den Vater war es ein Schock, dass er geheiratet hat. Er kommt in die Mond-Neptun-Problematik, nämlich die Geschlechtsunterlegenheit. (Wie Vater Cardanus das Unglück vorhergesehen haben mag, der ja den Neptun noch nicht kannte, muss an anderer Stelle besprochen werden.)  Also jeder, der betrogen wird oder selbst betrügt, hat wahrscheinlich etwas mit Mond-Neptun im siebten Haus zu tun. Das ist dann die letzte Defluxion.

Um ganz genaue Aussagen zu machen, verwenden wir die Primärdirektionen. Diese sind lebenseinmalig. Die Direktionen der Achsen sind die wichtigsten. Wenn wir nun das MC direkt dirigieren, d.h. im Uhrzeigersinn,  und es kommt in ein Quadrat zum Mond, dann vergehen bis zu diesem Zeitpunkt 25 Jahre nach der Methode Kühr, gemäß der schiefen Aufsteigung. Ich habe damals, als ich das entdeckte, wirklich gejubelt, denn ich hatte einen von seinem Buch unabhängigen Beweis der Gültigkeit seines Systems in einem historischen Metagnoseproblem gefunden.



  • · Des Giorlamo Cardano eigene Lebensbeschreibung, Deutsche Übertragung von Herm. Hefele. Jena, Diederichs ca. 1914 S. 67 und ff