Fankhauser, Alfred,  Das wahre Gesicht der Astrologie, 290 Seiten mit 35 Zeichnungen, Orell Füssli-Verlag, Zürich und Leipzig 1932. (Buchbesprechung durch Karl Ernst Krafft in der Zeitschrift Zenit im Jahr 1935)

 

Dank zielbewusster Umstellung und Leitung hat sich ein schweizerisches Verlagsunternehmen innerhalb weniger Jahre aus den Niederungen einer Druckauftrags- und Vertriebsstelle für Schul-, Adresse und Ehebücher zur Höhe einer weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten und anerkannten Führerstellung hinauf gearbeitet. Wenn ein solcher Verlag ein Werk über Astrologie herausgibt, dann horcht mancher auf, der den Anzeigen ähnlicher Veröffentlichungen irgendeines Winkel- oder Selbstverlages keinerlei Beachtung schenken würde.

Erst recht diejenigen, welche auf diesem Gebiete in der Fülle bedruckten Papiers der vergangenen fünfzehn Jahre trotz angestrengter Arbeit nur wenige Körner der Wahrheit und Weisheit gefunden haben, hoffen auf das Licht, das hier endlich bisherige Dämmerung und Nebel durchdringen möge. Dankbar greifen sie nach einem Buch, das ihnen von so ernsthafter Seite unter einem viel versprechenden Titel angepriesen wird.

Umso schmerzlicher befällt schon nach wenigen Seiten der Lektüre ein Gefühl der Enttäuschung alle, welche auf Grund neuzeitlicher Einsichten in Entsprechungen zwischen Sternenferne und Seelentiefe auch nur ein wenig das Wesen der astrologischen Überlieferung eingedrungen sind: Was hier unter einem etwas hochtrabend anmutenden Titel geboten wird, hätte, durch reichlich Scherenschnitte um allerhand Ballast erleichtert, noch vor zehn Jahren als eine annehmbare Einführung in das Gebiet der Astrologie gelten können. Es wäre dann zumal ein Buch vorgelegen, das an vielen Stellen das Niveau einer andern Veröffentlichung aus Schriftstellerkreisen erreicht, an einigen wohl übertroffen hätte. Heute aber dürfen sowohl der Sterndeutung gänzlich Unkundige als auch die „Leute vom Fach“ verlangen, dass bei der Behandlung derartiger Fragen die geistesgeschichtlich so bedeutsamen Entdeckungen der Tiefenpsychologie nicht übergangen, sondern in ihrer ganzen Tragweite gerade für das Verständnis astrologischer Zusammenhänge erkannt und verwertet werden.

Dieser Forderung ist vom Verfasser des hier in Frage stehenden Werkes leider nur ungenügend Rechnung getragen worden; und es bleibt zu bedauern, dass ein sonst fortschrittliches Verlagsunternehmen mit seinem Signet einen Versuch deckt, dessen sachliche Fehler, Mangel an Bescheidenheit und Unreinlichkeiten des Stils Widerspruch und Tadel herausfordern.

Gewiss kann dem Lektor auch eines größeren Verlages nicht zugemutet werden, ein einem selbst gebildeten Menschen wenig vertrauten Gebiet wie das der Sterndeutung Bescheid zu wissen. Deshalb würde es ihm auch schwer fallen, den Wert eines Manuskriptes über Astrologie zu beurteilen; umso mehr, wenn dabei noch Dinge hineingeheimnist worden sind, welche bei aller Universalität der einstigen „königlichen Kunst“ mit dem gestellten Thema nur in sehr lockerem Zusammenhange stehen.

Dagegen hätte sich für den Verleger angesichts des sonstigen großzügigen Kostenaufwandes für eine erstklassige Ausstattung des Werkes die Einholung von Gutachten bei einem oder mehreren Sachverständigen gelohnt. An dafür geeigneten Stellen hätte wirklich kein Mangel bestanden, und der – in einem solchen Falle zum mindesten kritisch-anregend lautende- Bescheid wäre das Honorar wert gewesen.

Nachdem jedoch das Manuskript nicht vom Schutzrechten zuständiger Begutachtung aufgefangen und mit den gegebenen Vorschlägen auf Kürzung Vertiefung und stilistischer Säuberung den Weg seiner Herkunft zurückgeschickt worden ist, dürfen Verleger und Verfasser nicht gram sein, wenn dem mehr umfangreichen als inhaltsschweren Druckerzeugnis im Turbinenkasten öffentlicher Kritik scharf zugesetzt wird. Habenet sua fata libelli…

Wem das Erkunden von Beziehungen zwischen Vorgängen im Weltall und irdischem Geschehen Lieblingsbeschäftigung, die langsam dämmernde Erkenntnis der Entsprechungen zwischen Sternenweiten und Menschenschicksal heilig ist, wer es auf sich nimmt, ob dieser seiner Überzeugung von Zunftgelehrten und andern „Aufgeklärten“ als Phantast belächelt, mit einem ROXROY und andern Hintertreppenauguren gleichgesetzt zu werden, den berührt kein Aufsatz, kein Buch gegen die Astrologie so schmerzlich als eine Veröffentlichung, in welcher in unzulänglicher Weise versucht wird, für die Sterndeutung zu werben; wo eine ungeschickte Wahl des Ausgangspunktes, insbesondere eine allzu große Abhängigkeit von einer (zugegebenermaßen) entstellten Überlieferung, Mangel an persönlicher Durchdringungs- und Gestaltungskraft und, zu guter Letzt, Unkenntnis einer Reihe wichtiger, bahnbrechender Arbeiten der letzen zehn Jahre einen Misserfolg geradezu heraufbeschwören mussten.

Diese Tatsachen sind umso bedauerlicher, als in den einleitenden Abschnitten des Buches: „Weltgeschichtliche Betrachtungen“ und „Der europäische Rationalismus im Kampf gegen die Astrologie“, später über astrologische Einzelfragen wie etwa über „Das Prinzip der Austauschtätigkeit (MERKUR)“ und der „Reflektierenden Psyche (MOND)“, über die zyklische Überlagerung der Felder („Häuser“), dann wieder in den Abschnitten über die „Summarische Deutung des Geburtsmomentes“, über den „Begriff des Schicksalsmotivs“, besonders aber über „Willensfreiheit oder Willensbefreiung“, über „Die vier Stufen des Erlebens“ und die „Freiheit als magische Haltung“ endlich im Schlusskapitel „Fatalismus oder Glaube“ gute bis wertvolle, wenn auch selten ganz originelle Gedankengänge und Einzelbemerkungen zu finden sind.

Leider kommen diese in dem wenig differenzierten Gemenge von missverstandener Überlieferung mit ihren Halb- und Viertelswahrheiten, von Berufungen auf indische Quellen und die Geheimlehre der Madame BLAVATZKY, von ehrwürdigen Zyklenlehren und moderner Periodenforschung kaum zur richtigen Geltung.

Insbesondere wäre eine Trennung, bzw. Vereinigung in einem Sonderbande aller jener Abschnitte am Platze gewesen, die zwar durchaus Lesens- und Beherzigenswertes enthalten, aber für das Verständnis astrologischer Verknüpfungen nicht unmittelbar notwendig erscheinen. Ähnliches gilt von Gedankengängen, welche im Vergleich zu dem, was bereits heute an kosmischen Einwirkungen als gesichert gelten darf, allzu spekulativ anmuten.

Erwähnt seien hier u. a. der Herausgeber des JAHRBUCHES FÜR KOSMOLOGISCHE FORSCHUNG (Augsburg); der Schriftleiter der einen oder andern ernsthaften astrologischen Zeitschrift; die Astrologische Zentralstelle in Düsseldorf mit ihren zahlreichen Verbindungen zu berufenen Fachkundigen.

Gerade in dieser Richtung kann dem Verfasser der Vorwurf eines beträchtlichen Mangels an Maßgefühl nicht erspart werden: Soweit es wirklich „okkultes“ Wissen gibt, ist dies der verstandesmäßig-begrifflichen Erfassung nur bruchstückhaft zugänglich, kann also einer größeren Allgemeinheit, etwa in Buchform, nur in verzerrter und damit irreführender Form vermittelt werden. Darüber in diskursiver (expliziter, d. h. rationaler, unverhüllter) Weise zu schreiben, wie es FANKHAUSER getan hat, zeugt zum mindesten davon, dass jene Erkenntnisse auch bei ihm nur intellektueller Wissensinhalt geblieben, nicht aber zum schauenden (intuitiven) Erlebnis geworden sind.

Trotz der gerügten Mängel kann und soll das Buch von FANKHAUSER nicht in Bausch und Bogen verworfen werden. Wer es entgegennimmt als das, was es ist: Als Versuch, ein durch sein Alter verflautes und vielerlei Missgeschicke mehr oder weniger beschädigtes Lichtbild mit unzulänglichen Mitteln zu retuschieren, für den wird die Lektüre mancherlei Anregung bieten. Gleichzeitig dürfte in ihm aber auch die Überzeugung reifen, dass es sich hier nicht um „das wahre Gesicht“ der Astrologie, sondern höchstes um eine teilweise recht gute, teilweise nur mittelmäßige Darstellung einiger der vielen möglichen und „an sich“ richtigen Aspekte der einstigen königlichen Kunst handelt, nicht aber um Vermittlung des wesentlichen Gehaltes; und dass bei etwas mehr Bescheidenheit auf seiten des Verfassers das Buch hätte ein anderes Urteil erwerben können als: multa sed nou multum.

 

(Karl Ernst Krafft, Zürich, Zenit 1935)